” Es gibt viele Gründe, die Vorteile einer gebärdenden Umgebung für das Kind zu betonen. Eine gebärdende Umgebung ermöglicht dem Kind selbstbestimmte Kommunikation, verbessert seine Teilhabechancen und verleiht sowohl ihm selbst als auch seiner Kommunikationsform mehr „Status“.

Entsprechendes gilt auch für die Mitarbeiter/innen von Einrichtungen, die mit dem Kind arbeiten. Gemeinschaftliche Arbeit und kollektive Verantwortung der gesamten Belegschaft für eine gebärdende Umgebung schaffen gemeinsame Voraussetzungen und entlasten den Einzelnen. Gemeinsam lassen sich z. B. Weiterbildungsforderungen eher durchsetzen, und es  fällt es leichter, das Kind als Bereicherung und die Aufgabe als Herausforderung anzusehen.“

Der erste zentrale Ansatzpunkt für ein sowohl kommunikatives als auch gebärdendes Umfeld ist das Zuhause. Für die Familie ist es wichtig, dass alle, die mit dem Kind in Berührung kommen, über dessen Kommunikationsschwierigkeiten und die geeigneten Methoden Bescheid wissen. Alle sollten außerdem eine GuK-Ausbildung erhalten, nicht nur die engsten Familienmitglieder.“

 

Damit ein Kind eine neue Sprache lernen kann, muss es sich in einem Umfeld befinden, wo Kommunikation unterstützt und gefördert wird. Die betreffende Sprache muss von vielen Personen und in allen Situationen verwendet werden. Zusammen mit der Sprache lernt das Kind die Regeln, nach denen zwischenmenschliche Verständigung funktioniert. Kommunikation und kommunikative Fähigkeiten entwickeln sich in der Interaktion, im Gespräch.“

Boel Heister Trygg, Logopädin am Södra Regionens Kommunikationscentrum (SÖK), Malmö/Schweden

 

„ Wir Menschen sind soziale Wesen, und unser Drang zu kommunizieren ist enorm. Wenn der Mensch ein Werkzeug bekommt – also etwas, das ihm die Kommunikation erleichtert – eignet er sich auch leichter die anderen Werkzeuge an, die er für seine Verständigung benötigt. Was wir Menschen brauchen, ist Kommunikation, Kommunikation ist das Ziel – die Sprache nur ein Mittel. Dass die Kommunikation funktioniert, ist also wichtiger als die jeweilige Sprache, die dabei zum Einsatz kommt. Alles, was der Kommunikation dient, dient auch der Sprachentwicklung.“

Gunilla Ladberg, Psychologin und promovierte Pädagogin

 

David R. Beukelman und Pat Mirenda haben umfassende Informationen über Unterstützte Kommunikation zusammengestellt, darunter vieles zum Thema Gebärdenunterstützte Kommunikation.  Gebärden sind bei einer Vielzahl unterschiedlicher Sprachstörungen von Vorteil, schreiben die Autoren und nennen sechs gute Gründe für sprachbegleitende Gebärden :

Man spricht langsamer und deutlicher

–  Gebärdenbewegungen sind leichter auszuführen als Sprechbewegungen

–  Gebärden fördern die Konzentration beim Lernen

–  Hörgedächtnis und logisches Denken werden weniger beansprucht

–  Visuelle Information (Gebärden) behält man oft leichter als auditive (Lautsprache).

–  Eine Gebärde ist dem Begriff, den sie beschreibt, oft ähnlicher als der entsprechende lautsprachliche Ausdruck

David R. Beukelman, Sprachpathologe, University of Nebraska, Lincoln/USA, und Pat Mirenda , Professorin an der Fakultät für Psychologie und Erziehungswissenschaften, University of British Columbia , Vancouver/Kanada, in: Augmentative and alternative communication. Supporting children and adults with complex communication needs (3. Auflage 2007)

 

Wiebke Beckmann hat in einer Studie an 6-9-jährigen Schüler/innen mit Autismus untersucht, ob ein Wechsel der Sprache – von auditiv (Lautsprache) zu visuell (Gebärden) – sich auf die Kommunikation und Interaktion der Kinder auswirkt. Die Studie basierte auf der Beobachtung, dass gesprochene Sprache bei den Kindern nicht die Art von Aufmerksamkeit erzeugte, die sie zum Sprechen motiviert, auch wenn das Gehör der Kinder nicht beeinträchtigt war.

Wie die Ergebnisse zeigen, veränderte sich mit der Einführung von Gebärden die Kommunikation im Klassenzimmer. Kinder und Erwachsene kommunizierten aufmerksamer miteinander und die Atmosphäre in der Schule entspannte sich. Diejenigen Kinder, die vorher nicht sprachen, konnten jetzt leichter mit Lehrer/innen und Schulkamerad/innen interagieren. Kooperation und Verständigung verbesserten sich allgemein.

Laut Wiebke Beckmann verändert sich Aufnahmefähigkeit der Kinder deutlich durch den Einsatz von Gebärden. Gebärden fördern die Aufmerksamkeit der Kinder, machen ihnen die Dinge leichter begreiflich und verbessern dadurch die Möglichkeiten der Verständigung und Zusammenarbeit. Zudem regt der betont visuelle, bewegte Charakter der Gebärden die Kinder zur Nachahmung an.

Wiebke Beckmann, Wissenschaftliche Assistenstin, Universität Hamburg (Vortrag im Rahmen der Internationalen UK-Konferenz in Düsseldorf 2006)

 

Gebärden und Zweitspracherwerb – Erfahrungen aus Schweden

„Die Mitarbeiter/innen der Kindergartenabteilung konnten Veränderungen in der Gruppe  beobachten, nachdem sie Gebärdenunterstützte Kommunikation eingeführt hatten. Ihr Eindruck ist, dass sich die Kinder schneller neue Wörter aneignen, mehr verstehen, einen größeren Wortschatz entwickeln und auch früher anfangen zu sprechen. Kinder mit Schwedisch als Zweitsprache lernten den Erzieher/innen zufolge leichter Schwedisch. Aus den Antworten geht auch hervor, dass einige Erzieher/innen Unterschiede zwischen der betreffenden Abteilung und anderen Kindergartenabteilungen unter gleicher Leitung  wahrgenommen haben. Sie erleben die Kinder als kompetent in ihrem sprachlichen Ausdruck, als kontakt- und redefreudig. Ein Teilnehmer erwähnt auch, dass die Kinder ruhiger sind, gut stillsitzen und zuhören können.“

„Im Kindergarten hat man festgestellt, dass die Kinder früher kommunizieren und dass sie schneller Schwedisch lernen, seit mit GuK gearbeitet wird. Dies lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass die Kinder mit der Gebärde ein Bild oder Symbol erhalten, das den Inhalt konkretisiert. Laut Bruner, unter Verweis auf Imsen (2000), spielen das konkrete und das visuelle Gedächtnis eine wichtige Rolle beim Lernprozess. Kinder brauchen Bilder, um in ihrem Innern eigene Vorstellungen entwickeln zu können, und diese Bilder kann ihnen die Lautsprache allein nicht vermitteln.“

„Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass GuK den Zweitspracherwerb in Kindergarten und Schule durchaus unterstützen kann. Die Gebärde kann ein erster Schritt auf dem Weg zur neuen Sprache sein. Genau wie ein Kind, das krabbelt, bevor es laufen lernt, nimmt das Kind die Gebärde zu Hilfe, bevor ihm das Wort in der neuen Sprache zur Verfügung steht.“

 

Johansson, Cecilia und Reftel, Katarina: TAKK som ett stöd för andraspråksinlärning i förskola och skola. Skolutveckling och ledarskap . (2005) (Auszüge aus einer Examensarbeit im Aufbaustudiengang Sonderpädagogik/Lehramt, Hochschule Malmö/Schweden)

 

„ Stellenweise wird dafür plädiert, in bestimmten Kindergärten bei allen Kindern der Gruppe Gebärden einzusetzen. Viele Kinder in schwedischen Kindergärten haben eine andere Muttersprache. Gebärden dienen als Brücke zwischen der Muttersprache und dem Schwedischen.“

Boel Heister Trygg, Logopädin am Södra Regionens Kommunikationscentrum (SÖK), Malmö/Schweden