Month: December 2018

66-67 Fragen und Antworten zum Thema Gebärden

Fragen und Antworten zum Thema Gebärden

Will mein Kind auch wirklich sprechen lernen, wenn ich Gebärden benutze?

Der natürliche Drang zu sprechen ist stark ausgeprägt, und wenn ein Kind die Wahl hat, wird es immer vorziehen zu sprechen. Gebärden helfen Ihrem Kind, so lange es noch nicht sprechen kann, und darüber hinaus den Kindern, die Sprachschwierigkeiten haben. Gebärden hemmen die Sprachentwicklung also niemals, sondern fördern sie im Gegenteil.

 

Ich gebärde und gebärde, aber mein Kind antwortet nicht, sondern guckt nur zu. Wann soll ich aufgeben?

Machen Sie weiter! Sie hören ja auch nicht auf zu reden, weil Ihr Baby nicht antwortet.  Gehen Sie davon aus, dass Ihr Kind viel früher mit Gebärden antworten wird, als es das mit gesprochenen Wörtern tun würde. Damit Ihr Kind gesprochene Sprache wirklich VERSTEHT, müssen Sie Gebärden und Lautsprache unbedingt gleichzeitig einsetzen. Dass die Kinder selbst anfangs noch nicht gebärden, ist weniger wichtig. Ihrem Kind fällt es jedenfalls leichter, Wörter aufzunehmen, und die Sprache wird anschaulicher, wenn Sie gebärden.

 

Aber irgendwann kann ein Kind wohl auch so anfangen zu sprechen? Ich meine, es gibt doch viele Kinder mit Sprachverzögerung, die sprechen lernen, ohne dass man Gebärden benutzt…

Ja, das stimmt. Aber wenn man weiß, dass das Kind diese Probleme hat, ist es nie falsch, Gebärden einzusetzen. Auch der Sprachentwicklung von Kindern, die ohne Unterstützung sprechen lernen, hilft man so sicherlich auf die Sprünge. Vermutlich wird das Kind Sprache und Sprechen früher in den Griff bekommen.

 

Mein Kind ist schon größer, ist es jetzt zu spät für Gebärden?

Nein, es ist NIE zu spät! Aus Erfahrung wissen wir, dass der Spracherwerb für manche Kinder schon von Geburt an eine besondere Herausforderung darstellt. Bei anderen Kindern entwickelt sich vielleicht erst mit der Zeit eine Sprachstörung, aber auch diese Kinder profitieren davon, wenn sie selbst gebärden und ihn in einem gebärdenden Umfeld aufwachsen.

 

Was macht man, wenn die Hände anderweitig beschäftigt sind?

Versuchen Sie zu gebärden, so gut Sie können. Benutzen Sie eine Hand – das ist besser als gar keine.

 

Müssen wirklich alle Gebärden lernen, wenn ein Kind Gebärden braucht? Es reicht doch wohl, wenn überhaupt jemand Gebärden versteht?

Wenn ein Kind, z. B. im Kindergarten, nur mit einem Erwachsenen Gebärden austauschen kann, begrenzt das natürlich seine Möglichkeiten, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Wie viel Kommunikation ist eigentlich möglich für dieses Kind, in einer Gruppe, die nicht gebärdet? Wenn nur eine Person das Kind versteht, läuft seine Kommunikation mit allen anderen über diese Person. Kommunikation und Interaktion sind wichtig für die Entwicklung, und deshalb sollten alle Bezugspersonen Ihres Kindes sich an seine Voraussetzungen anpassen.

 

169.

Viele, die mit unserem Kind zu tun haben, wollen und können nicht gebärden – sie finden das schwierig und unnatürlich.

Das ist natürlich nicht ganz einfach. Man möchte ja niemanden zwingen, und vielleicht fällt es Ihnen schwer, hier Überzeugungsarbeit zu leisten… Versuchen Sie dennoch, auf die Vorteile hinzuweisen, die ein gebärdendes Umfeld mit sich bringt. Lassen Sie auch Ihr Kind Vorbild sein und mit Büchern oder eigenen Gebärden-Alben zeigen, wie Sie miteinander reden/gebärden. Für die meisten ist die kindliche Kommunikationslust dann doch unwiderstehlich.

 

Mein Kind benutzt nicht die üblichen Gebärden. Sollen wir seine Version übernehmen?

Gebärden sind eigentlich nur vereinfachte Körpersprache, bestimmte Handbewegungen, denen man eine bestimmte Bedeutung zugewiesen hat. Im Prinzip könnten Sie oder Ihr Kind sich also eigene Bewegungen ausdenken. Standardisierte Gebärden haben jedoch den Vorteil, dass sie von allen – zuhause, im Kindergarten, in Schule und Freizeit – verstanden werden, weil alle das gleiche System verwenden. Am besten gebärden Sie also „nach dem Lehrbuch“, sonst kommt Ihr Kind durcheinander. Mit der Zeit wird Ihr Kind die richtigen Zeichen lernen.

 

Ich habe einen Gebärdenkurs besucht, finde es aber schwer, über das Anfängerniveau hinauszukommen und richtig „fit“ zu werden. Was kann ich tun?

Machen Sie weiter, besuchen Sie weitere Kurse. Wenn Sie schon einiges können, raten wir Ihnen, an einem Kurs in Gehörlosensprache zu teilzunehmen. Diese Kurse sind anspruchsvoller, haben ein höheres Lerntempo und werden Sie mehr fordern. Viele finden, dass Sie nach einem solchen Kurs „fließender“ gebärden und besser gleichzeitig reden und gebärden können.

 

Wie unterscheidet sich GuK von der Gebärdensprache der Gehörlosen?

Wenn Sie Gebärdenunterstützte Kommunikation einsetzen, verwenden Sie die Handzeichen der Gehörlosensprache, man könnte also sagen, dass die Vokabeln dieselben sind. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass Sie dabei wie gewohnt sprechen und nur die wichtigsten Wörter Ihrer Äußerung gebärden. Die Gehörlosensprache dagegen wird nicht von gesprochener Sprache begleitet und hat eine völlig andere Grammatik (die nicht der Lautsprache entspricht).

 

Was ist der Unterschied zwischen GuK und Sprachtraining?

Wenn man Gebärden sprachbegleitend einsetzt, will man hauptsächlich eine funktionierende Kommunikation schaffen, indem man möglichst viel Information in seine Äußerung einbaut. Beim Sprachtraining dienen Gebärden als eines von mehreren Werkzeugen, um das Lernen effektiver und anschaulicher zu machen. Kinder prägen sich sprachliche Inhalte, die mit Hilfe von Gebärden vermittelt werden, leichter und schneller ein. Gebärdenkommunikation an sich ist jedoch kein Sprachtraining.

 

Wo kann ich weitere Informationen über Gebärdenunterstützte Kommunikation finden?

(Literaturliste anfertigen)


64-65 Warum wir eine Sprache brauchen

Warum wir eine Sprache brauchen

Iréne Johansson, Professorin für Sonderpädagogik und Phonetik,erklärt warum Sprache und Teilhabe so wichtig sind. Sie beschäftigt sich unter anderem mit Fragen zum Recht aller Individuen auf Sprache.

Warum müssen Kinder eine Sprache entwickeln?

Wir brauchen eine Sprache, damit wir eine innere Vorstellungswelt aufbauen, Probleme lösen, uns erinnern und fantasieren können. Ohne Sprache sind wir gefangen im Hier und Jetzt – die Sprache befreit uns von Zeit und Raum. Um unsere innere Welt entfalten zu können, müssen wir Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen, und dazu brauchen wir ein Werkzeug – unsere Sprache. Wer Sprache nicht versteht, kann sich nur schwer in seine Umwelt einbringen, und wer nicht sprechen kann, dem fällt es schwer, andere an seinem Innenleben teilhaben lassen.

 

Was bringen Gebärden mir und meinem Kind?

Egal, ob Ihr Kind mit kleinen oder großen Sprachschwierigkeiten kämpft, werden ihm Gebärden aller Voraussicht nach gute Dienste leisten. Gebärden sind ein Werkzeug für die Sprachentwicklung. Ihr Kind bekommt das Rüstzeug an die Hand, um mit seiner Umgebung kommunizieren zu können. Und die Umgebung sollte einen wesentlichen Aspekt nicht übersehen: Beansprucht man einen wichtigen Platz im Leben eines Kindes, darf man nicht erwarten, dass das Kind einem die Arbeit abnimmt, sondern man muss sich selbst engagieren. Kinder sind hier kompetent und treffen ihre Wahl. Wenn Sie nicht selbst aktiv werden und mit Gebärden am Leben Ihres Kindes teilnehmen, werden Sie ausgegrenzt, bleiben Sie eine Randfigur. Und das wollen Sie ja sicher nicht.

 

Was also sollten wir, das Umfeld des gebärdenden Kindes, tun?

Alle Bezugspersonen müssen dem Kind helfen, Erfahrungen zu machen. Erfahrungen sind das A und O. Sie entstehen in einem ständigen Austausch mit anderen, und je mehr „Kontaktflächen“ ein Kind hat, desto größer wird sein Erfahrungsnetz. Wir Menschen müssen uns in anderen spiegeln können: Kinder erproben sich selbst an ihren Mitmenschen und lesen deren Reaktionen ab. Ein Spiegel, der immer wieder verständnislos dreinblickt, wirkt auf ein Kind kalt und gleichgültig. Will man ein lebendiger Spiegel sein, sind also ein paar Stunden Gebärdenkurs nicht genug, sondern Gebärden lernen und Gebärden anwenden ist eine ständige Aufgabe.

 

Wie kann ich das lernen? Und vor allem, wie werde ich mit den Gebärden vertraut?

Mein Tipp ist: Üben Sie viel, gebärden Sie regelmäßig. Wählen Sie Bereiche, wo Sie unbeschwert gebärden können, und vergessen Sie Ihre hohen Ansprüche. Es muss nicht alles richtig sein, Sie machen ja auch beim Sprechen mal Fehler. Gebärden Sie frisch von der Leber weg und suchen Sie sich Situationen, die Ihnen viel Gelegenheit dazu bieten. Meiner Meinung nach ist es am besten, sich einfach ins Gespräch zu stürzen, in Situationen, wo man Gebärden benutzen muss. Denken Sie daran, dass Sie immer einen Schritt weiter sein sollten als Ihr Kind. Ihr Kind lernt von Ihnen, und was Sie nicht können, kann also auch Ihr Kind nicht lernen.

Also… will der jetzt an meinem Leben beteiligt sein oder nicht?!

Na klar! Ich bin doch auch ein Sprach-Bauarbeiter!

 

Die promovierte Pädagogin Gunilla Ladberg befasst sich unter anderem mit Spracherwerb und Mehrsprachigkeit von Kindern und Erwachsenen. Auszüge aus dem Buch Barn med flera språk – Tvåspråkighet och flerspråkighet i familj, förskola, skola och samhälle von Gunilla Ladberg, Liber Förlag

Sprecherwechsel

Eine entscheidende Voraussetzung für jede Art von Kommunikation ist das, was die Sprachwissenschaftler Sprecherwechsel nennen: die Fähigkeit, zwischen Reden und Zuhören wechseln zu können. Inzwischen wissen wir, dass schon Säuglinge diese Fähigkeit besitzen, vielleicht von Geburt an. Häufig ergreifen Babys selbst die Initiative zur Kommunikation: Bei aufmerksamer Beobachtung kann man sehen, dass sie erst eine Bewegung machen oder einen Laut von sich geben, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, und dann innehalten und dem anderen Zeit für die Antwort lassen, wobei sie ihr Gegenüber intensiv anblicken.

 

Sprache entsteht aus dem Bedürfnis sich mitzuteilen

Wir Menschen haben das Bedürfnis, uns mitzuteilen. Wir wollen unsere Gefühle zeigen, von Erlebtem berichten und unsere Erfahrungen mit anderen teilen. Das sieht man schon bei den Kleinsten. Kinder wollen erzählen, was sie erlebt oder vollbracht haben, was ihnen Angst oder Freude gemacht hat. Wenn jemand versteht, was sie sagen wollen, und antwortet, wird ihr Vertrauen in die Möglichkeiten der Kommunikation gestärkt. Die Antwort braucht nicht in Worten formuliert zu sein. Wir haben ein ganzes Repertoire von Kanälen, um Interesse zu zeigen, zu reagieren und zu bestätigen.

 

Wenn Kinder aufgeben

Es kommt auch vor, dass Kinder aufgeben und nicht mehr versuchen, sich verständlich zu machen. Sie ziehen sich zurück oder meiden Spiele und Aktivitäten, bei denen man reden muss. Das ist vielleicht die größte Gefahr. Alle Kinder brauchen die Erfahrung, dass Kommunikation funktioniert. Nur so bekommt ein Kind Zutrauen zur Sprache. Kinder, die nicht mehr versuchen sich zu verständigen, können lange in einer Gruppe sein, ohne nennenswerte sprachliche Fortschritte zu machen. Es reicht nicht, die Sprache im Raum zu haben – man muss auch aktiv kommunizieren.

 

Dazugehören

Unser Bedürfnis, dazuzugehören und zu sein „wie die anderen“, nicht negativ aufzufallen, sondern in der Gruppe aufzugehen, ist eine treibende Kraft aller Kommunikation. Um zu verstehen, wie wir der Sprache unserer Kinder auf die Sprünge helfen können, sollten wir uns einige wichtige Fragen stellen:

 

  • Worüber möchte oder muss mein Kind reden?
  • Mit wem möchte oder muss mein Kind reden?
  • Wem möchte mein Kind ähnlich sein? Wen bewundert mein Kind?
  • Zu welcher Gemeinschaft möchte mein Kind gehören?

 

In den Antworten auf diese Fragen liegt der Antrieb für die kindliche Sprachentwicklung.

 

Sprache und Denken

Sprache ist nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern auch ein Werkzeug des Denkens. Wir verwenden Sprache, wenn wir nachdenken, lernen, schlussfolgern und versuchen, Zusammenhänge zu verstehen. Mit Hilfe von Sprache können wir Dinge identifizieren, kategorisieren und uns später daran erinnern. Wer Worte hat für das, was er sieht, nimmt mehr wahr und behält es besser im Gedächtnis.

Denken und Probleme lösen, für die Zukunft planen und Vergangenes bewerten – für all das machen wir uns die Sprache zunutze.

 

Alle Kinder brauchen Zugang zu einer Sprache, um ihr Denken zu entwickeln


Gebärden haben verschiedene Aufgaben in den Entwicklungsphasen Ihres Kindes

Gebärden haben verschiedene Aufgaben in den Entwicklungsphasen Ihres Kindes

Verstehen

Im Babyalter lernt Ihr Kind zu verstehen, was Sie sagen, wenn Sie Ihre Äußerungen durch Gebärden ergänzen. Handbewegungen sind leichter zu erfassen – Ihr Kind sieht das Gesagte. Es ist auch einfacher, eine Gebärde wiederzuerkennen und zu behalten als einen Laut; das Handzeichen z. B. für Ball hat einen höheren Erinnerungswert als die Lautfolge Ball. Außerdem sprechen wir langsamer und deutlicher, wenn wir Gebärden verwenden.

Warte mal… muss nur schnell die Stimmbänder koordinieren, Zunge zurechtrücken, Luftzufuhr geregelt kriegen und…

Kommunikation

Für ein Kind ist es leichter, etwas mit Gebärden zu sagen als mit Lauten. Es ist auch einfacher, einem Kind zu zeigen, wie man ein Wort gebärdet, als zu zeigen, wie man es ausspricht. Gebärden geben Ihrem Kind die Möglichkeit, sich selbst auszudrücken und sich früh mit seiner Umwelt zu verständigen. Das Hauptziel dabei ist eine möglichst lebendige Kommunikation, das Zusammen- und Wechselspiel zwischen Ihnen und Ihrem Kind. Je früher Ihr Kind lernt, zu fragen, zu antworten und zu erzählen, desto besser entwickelt sich die Sprache später.

oder… ich zeige euch einfach, was ich meine!

Wortschatzaufbau

Um kommunizieren zu können, müssen Kinder ihren Wortschatz aufbauen. Es ist leichter, sich eine Anzahl von Gebärden zu merken, als sich all die vielen Laute einzuprägen, aus denen gesprochene Wörter bestehen. Man könnte die Gebärden mit Haken vergleichen, an denen man die Wörter aufhängen kann. Da mehrere Sinneseindrücke – Hören, Sehen und Fühlen – an der Wahrnehmung beteiligt sind, bleiben die Wörter besser „hängen“. Gebärden machen zudem die einzelnen Wörter in den langen Lautketten der der gesprochenen Sprache deutlich.

– Wollnwirmalschnellzumkioskgehnundnebratwurstessen?
– Ja, ich will ’ne große haben

Das Buch liegt auf dem Tisch.

Sprachaufbau

Damit sich ihre Sprache weiterentwickelt, müssen Kinder nach und nach den schwierigeren Wörtern auf die Spur kommen. Gebärden machen es ihnen leichter, die verschiedenen Bestandteile der Sprache zu identifizieren. Auf diese Weise kann man sich beim Sprachtraining gut auf bestimmte Lerninhalte, zum Beispiel Präpositionen, Konjunktionen oder Fragewörter, konzentrieren.

Wissensvermittlung

Wenn Ihr Kind in die Schule kommt, muss es viel Neues lernen, und hierfür ist es wichtig, die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen. Gebärden für bestimmte Begriffe und Schlagwörter können als Stütze im Unterricht eingesetzt werden und den Lerneffekt verbessern, auch wenn Ihr Kind bereits spricht.


So funktioniert Gebärdenunterstützte Kommunikation

So funktioniert Gebärdenunterstützte Kommunikation

Ein Werkzeug für den Sprachaufbau

Kindern mit Sprachstörung dienen Gebärden als Werkzeug bei der Sprachentwicklung. Wenn Sie Gebärden einsetzen, hat Ihr Kind die Möglichkeit, Sprache nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen und zu fühlen. Mit mehreren Sinnen gleichzeitig nimmt man Inhalte leichter auf, und das Gelernte bleibt leichter im Gedächtnis.
Sowohl gesprochene Sprache als auch Gebärden, Bilder und Text sind wichtige und nützliche Werkzeuge für die Sprachentwicklung. Indem man alle Werkzeuge kombiniert, lässt sich das Lernen effektiver gestalten.

Man kann auch ohne Hammer und Nägel ein Haus bauen, aber das dauert länger und hält nicht so gut.

 

Ball

Eindrücke sortieren

Ein Kind erlebt seine Umwelt oft als ein Sammelsurium von verwirrenden Eindrücken. Alles rauscht mehr oder weniger vorbei, und dabei fällt es schwer, Gesehenes und Gehörtes zu sortieren. Während wir zum Beispiel gerade etwas zeigen und darüber reden, fährt ein Bus vorbei, jemand ruft im zweiten Stock, und in der Küche dudelt das Radio. Kinder mit verzögerter Entwicklung brauchen hier Unterstützung, um ihre Eindrücke sortieren zu lernen. Und genau diese Aufgabe übernehmen Gebärden!
Gebärden unterstreichen das Gesagte. Mit Hilfe von Gebärden heben Sie das Wesentliche in Ihrer Äußerung hervor. Für Ihr Kind hat das die gleiche strukturierende Wirkung, wie wenn Sie einen Text mit Unterstreichungen lesen.

Bewusst wahrnehmen und dabei sein

Gebärden erfüllen auch eine wichtige Funktion, wenn es darum geht, Ihr Kind ins Gespräch einzubeziehen. Gebärden wecken Aufmerksamkeit, fördern Konzentration und bewusste Wahrnehmung. Ihr Kind bekommt das Gefühl „dazuzugehören“, wenn mit Gebärden kommuniziert wird.


Gebärdenunterstütze Kommunikation – was ist das?

Gebärdenunterstütze Kommunikation – was ist das?

Gebärdenunterstütze Kommunikation (GuK) heißt, dass man die gesprochene Sprache (Lautsprache) mit Gebärden ergänzt, um das Gesagte zu verdeutlichen. Man spricht und gebärdet gleichzeitig, und richtet für den Zuhörer – Ihr Kind – sozusagen den Scheinwerfer auf die wichtigsten Wörter.

Damit ein Kind sich lautsprachlich ausdrücken kann, muss es Lippen, Zunge, Stimmbänder und Luftdruck im Griff haben – und das alles gleichzeitig. Handbewegungen dagegen sind verhältnismäßig leicht auszuführen, und auch leicht zu erkennen. Hände und Arme gehören normalerweise zu den ersten Körperteilen, die Babys kontrollieren können. Das bedeutet, dass man sehr früh mit den Gebärden beginnen kann.

Mit Hilfe von Gebärden kann Ihr Kind sich leichter mitteilen, lernt schneller mehr Wörter, und behält das Gelernte leichter. Wörter, die man hört, sieht und fühlt, vereinfachen und verstärken den Lernprozess.

Gebärden helfen also Ihrem Kind, Sprache zu verstehen, seinen Wortschatz aufzubauen und, vor allem, zu kommunizieren.

Komm mein Spatz, wir machen’s uns auf dem Sofa gemütlich. Wenn du magst, können wir zusammen ein schönes Buch lesen!

Gebärden – für wen?

Vor allem für Kinder mit sprachlichen Schwierigkeiten, Entwicklungsverzögerung, Autismus oder spastischer Lähmung ist Gebärdenunterstützte Kommunikation sinnvoll. Kindergärten, z. B. in Schweden, verwenden GuK auch, um Kindern mit fremder Muttersprache beim Erlernen der Landessprache zu helfen. In jüngster Zeit werden Gebärden auch immer mehr bei Babys mit normaler Sprachentwicklung eingesetzt, um den Spracherwerb zu fördern.

Die Bedeutung von Gebärden für die Lautsprache lässt sich mit folgendem Gleichnis beschreiben:
Ein Kind krabbelt auf allen Vieren, bevor es anfängt zu laufen. Indem es krabbeln übt, lernt es seinen Körper kennen und bekommt ein Gefühl für sein Gleichgewicht. Das Kind übt und übt, um dort hinzukommen, wo es hinmöchte, bis es schließlich krabbeln kann wie ein geölter Blitz. Sobald es das Krabbeln perfekt beherrscht, ist es gerüstet, um laufen zu lernen. Und sobald es laufen und rennen kann, hört es auf zu krabbeln.
Gebärden dienen also als „Krabbeltraining“ für gesprochene Sprache und Kommunikation. Bei Kindern mit verzögerter Sprachentwicklung kann die Kommunikation ins Stocken geraten, weil die Lautsprache auf sich warten lässt. Gebärden geben den Kindern die Chance, sich viel früher zu verständigen, als es sonst möglich wäre.

Und was, wenn das Kind nicht anfängt, zu laufen (sprechen)? Na, dann ist es doch wohl viel besser, flott zu krabbeln, als nur stillzusitzen?

He, warte mal… nicht so schnell… ich will doch nur ein bisschen quatschen!